(Novotny) Ich muss sagen, dass ich Glück hatte. Die meisten Kommentare und Leserbriefe waren positiv. Nur vereinzelt gab es kritische Stimmen. Um es einmal ganz generell einzuordnen: Im Nachhinein wurde uns klar, dass wir (das Team des ZEIT-Magazins, die Fotografin Anne Morgenstern und ich) eine Reportage erschaffen haben, die alle Grenzen des Genres sprengt. Ich erinnere mich noch, wie eine ZEIT-Magazin-Redakteurin zu mir beim Überschriften-Machen sagte: „Dir ist bewusst, dass es so etwas vorher noch nie gab.“ Dieses Gefühl hatte ich persönlich bis dahin verdrängt, sonst hätte ich die Geschichte nie schreiben können. In Anbetracht dessen: Dass manche Menschen die Geschichte nicht verstehen und kritisieren ist ihr recht. Das gibt es bei allen gesellschaftlich relevanten Texten. Für mich persönlich nehme ich das gerne in Kauf, im Tausch gegen das Glücksgefühl mit einem tollen Team etwas Bleibendes geschaffen zu haben. Wieviel Menschen können das schon von sich behaupten? Das ist ein riesiges Privileg.
Daran angeschlossen: Wie fühlt es sich an, wenn man etwas erschafft das einen gesellschaftlichen Einfluss hat?
Wie schon in der vorherigen Frage – rückblickend verspüre ich da nur Glück. Aber vielleicht lässt sich das mit dem Bau einer Pyramide vergleichen: Während man die Steine organisiert und aufeinanderschichtet, verschwendet man daran keinen Gedanken. Da liegt man nachts wach und sorgt sich, das alles klappt. Erst später, wenn man einen Schritt zurücktritt, kann man sich freuen. Wichtiger als mein Gefühl wäre mir aber, dass dieser Text die Menschen dazu bringt, einander mehr zuzuhören. Oder, um es fast esoterisch zu formulieren: Im Gegenüber nicht einen Gegner, sondern den Mitmenschen zu erkennen, der so hofft und zweifelt wie man selbst.