Frau Eichmann, warum ist das Thema Böden eigentlich faszinierender als man denkt?
Im Biologieunterricht lernen wir, wie Zellen funktionieren. Im Chemieunterricht können wir sogar Moleküle ausrechnen. Die Naturwissenschaft beschäftigt sich mit kleinsten Details. Physiker untersuchen Partikel, Chemiker Nährstoffe. Was dabei verloren geht: der Blick auf das große Ganze. Ein Element in der Physik hat nicht dieselbe Bedeutung wie ein Element in der Chemie. Unterschiedliche Sprachen haben sich in der akademischen Welt genauso entwickelt wie geografisch auf unserem Planeten. Um es auf den Punkt zu bringen: So wie Englisch uns als Weltsprache nun in Zeiten der Globalisierung mehr und mehr miteinander kommunizieren lässt, so bildet Bodenwissenschaften bzw. Agrarwissenschaften eine Basis für das Zusammenkommen diverser (Natur-)Wissenschaften. Naturwissenschaftliches Detailwissen ist dabei von grundlegender Bedeutung. Jedoch wird in den sogenannten Erdwissenschaften einfach mal rausgezoomt aus dem Partikel oder Molekül und man betrachtet ein Problem mehr aus der Vogelperspektive, inklusive aller wissenschaftlicher Ansätze.
Wie bildet sich eigentlich ein Boden und was hat auf seine Qualität alles Einfluss?
Bodenbildung startet mit dem Ausgangsgestein, welches primär durch physikalische und chemische Verwitterung (Wind- und Wassererosion) angeraut und zerkleinert wird, bis es von den ersten Bakterien, Flechten und Moosen besiedelt werden kann. Diese Mikroorganismen dienen wiederum höheren Lebensformen als Nahrung und bilden somit die Grundlage für die Produktion von organischem Material und für dessen Anreicherung an der Gesteinsoberfläche. Über die Jahre wird diese Mixtur aus Gestein, toten Pflanzen und Tieren, Wasser und Luft als Schicht immer dicker und darf sich „Boden“ nennen.
Biotische bzw. belebte, bodenbildende Umweltfaktoren sind die jeweilig vor Ort anzutreffende Flora und Fauna, welche wiederum von abiotischen Faktoren wie Ausgangsgestein, Klima und der Zeit abhängig sind. Vereinfacht spielt die Temperatur dabei eine der wichtigsten Rollen, da sie biologische Aktivitäten, chemische Reaktionen und physikalische Eigenschaften grundlegend bestimmt. Dass zwei Grad Klimaerwärmung eine immense Auswirkung auf Ökosysteme haben kann, ist mittlerweile hoffentlich den meisten bewusst.
Bodenarten werden grob definiert durch den „Zerkleinerungsgrad“ der Partikel und derer Anteile untereinander. Durch einfaches Filtern lassen sich dementsprechend sandige, schluffig/lehmige und tonige Böden bestimmen. Dies sind physikalische Eigenschaften, die die Bodenstabilität bedingen. Ist ein Boden zu tonig, bzw. feinporig, kann er leicht „verkleben“ und es bildet sich eine undurchlässige Stauschicht, was Gas- und Wasseraustausch verhindert sowie das Wurzelwachstum von Pflanzen. Andererseits können in den Zwischenschichten von Tonmineralien wertvolle Nährstoffe gespeichert werden, die wiederum unter gegebenen Umständen von der Pflanze aufgenommen werden können, während sandige Böden mehr Nährstoffe versickern lassen (bei einer spitzen Belüftung). Es geht also um einen ausgewogenen Mix, der genügend physikalischen Stabilität sowie eine ausgewogene Nährstoffzusammensetzung aufweist. Vereinfacht lässt sich sagen, dass je dunkler ein Boden erscheint, desto höher ist der Anteil organischer Substanzen und damit auch der Anteil an essenziellen Nährstoffen. Folglich ist bei Qualitätsbestimmungen von großer Bedeutung, wie der Boden bewirtschaftet wurde. Wurde er bewirtschaftet oder lag er brach? Was ist die natürliche Vegetation? Wurden Maschinen benutzt, die zu Verdichtungen führen? Mais, z.B. gilt als Stärke zehrend. Das bedeutet, er zieht sehr viele Nährstoffe aus dem Boden und lagert sie in seinem Pflanzenmaterial ein. Da wir den Mais ernten, nehmen wir diese Nährstoffe aus dem System und erzeugen einen Mangel im Boden. Sogenannte Leguminosen wie Klee können im Gegensatz zum Mais Nährstoffe (in diesem Falle Stickstoff) zurück in den Boden bringen, weswegen es sich empfiehlt Fruchtfolgen solcher Art anzuwenden, anstatt immer dasselbe am selben Fleck anzubauen.
Warum gibt es immer weniger „gute“ Bodenqualitäten?
Nachhaltige Bewirtschaftungen passen meist nicht zusammen mit kapitalistischen Interessen. Erst wenn Böden absterben, fangen wir an Konsequenzen zu sehen. Durch den Klimawandel und mit einer ständig wachsenden Bevölkerung steigt der Druck zunehmend auf unsere Agrarindustrie. Zudem sind wir auch immer weniger dazu bereit viel Geld in Lebensmittel zu investieren. Immer mehr für weniger zu bekommen kann auf Dauer einfach nicht gut gehen.
Inwiefern hat eine gute Bodenqualität auf das, was auf unseren Tellern landet, eigentlich Einfluss?
CHNOPS sind essentielle Makronährstoffe, die lebende Organismen in großen Mengen benötigen um Proteine aus Aminosauren (N,S) und Kohlehydrate aus Kohlenstoffketten wie Zucker (COH) produzieren zu können. Um zwischen den Zellen in unseren Körpern kommunizieren zu können, brauchen wir jedoch auch Mikronährstoffe wie z.B. Zink. Der Boden ist quasi der Kühlschrank der Pflanze. Wenn dort keine Nährstoffe vorhanden sind, dann kann die Pflanze auch kein gesundes Pflanzenmaterial aufbauen. Dementsprechend landet später eine mickrige Kartoffel ohne Geschmack auf unseren Tellern, wenn der Boden ausgelaugt ist.
Und wie können wir ganz privat einen Beitrag zum Schutz der Böden beitragen?
Einfach mal ein paar naheliegende Höfe am Wochenende besuchen, und den Bauch entscheiden lassen. Man merkt sehr schnell vor Ort, wie der Bauer eingestellt ist und ob man essen will, was er so anbietet. Auf dem Wochenmarkt (oder auch im Supermarkt) mal ins Gespräch zu kommen und genauer nachzufragen ist auch kein Fehler. Je mehr die Nachfrage nach bewusst und umweltschonend produzierten Lebensmitteln steigt, umso mehr wird das Angebot unterstützt. Biologisch, regional und saisonal sind die Stichworte, die das Klima, unsere Böden und unsere Körper schützen.